Jeder von uns Betroffenen kennt das. Generell neigen Missbrauchsopfer dazu, für jeden anderen eine Engelsgeduld aufzubringen, im Gegenzug aber von sich selbst alles abzuverlangen und mit sich selbst übertrieben streng und unnachsichtig zu sein.
Man hat uns ja lange genug eingetrichtet, nicht so zimperlich zu sein und uns somit aller Gefühle von Warmherzigkeit, Mitgefühl, Güte und ehrlich gemeinter Zuneigung betrogen. Etwas, was jedem Kind, Heranwachsenden absichtslos und unbegründet zusteht!
Deshalb führen wir oft unbewusst dieses Schema weiter. Wir sind unnachsichtig mit uns selbst, können uns nicht zugestehen, auch schwach sein zu dürfen, müssen weiterhin die Rolle der Starken einnehmen. Und genau dieses Schema gilt es zu durchschauen und zu durchbrechen.
Man spürt durch die Therapie und die Aufarbeitung des Missbrauchsgeschehens eine Veränderung an sich, die man vielleicht in der momentanen Wahrnehmung eher in die Kategorie „Schwäche“ einordnen würde, die aber in Wirklichkeit zum Menschsein dazu gehören. Beispiel: Weinen können, Trauer – Wut empfinden, sprachlos sein, jemanden (Beratungsstelle, Betreuerin) aufsuchen, um Hilfe anzufordern usw. Denn dies sind alles Eigenschaften, die sich jede x-beliebige Person auch zugestehen würde. Nur hat man uns einen Missbrauchs-Chip eingepflanzt, der da sagt: Friss oder stirb!
All die Attribute, die uns die Täter mit ihrer Tat unbewusst eingeredet haben, in unserer Seele hinterlassen haben, müssen wir ihnen wieder zurückgeben.
Mir selbst hat es ein ganzes Stück weitergeholfen, und immer wenn ich mich wieder schmutzig, besudelt, wertlos fühlte, habe ich ganz bewußt dieses Ritual vollzogen.
Wichtig! Wenn Du dieses Ritual zum ersten Mal ausübst, hole Dir eine vertraute Person oder eine therapeutische Begleitung dazu. Jemand, der von Deinem Trauma weiß. Du solltest auf gar keinen Fall beim ersten Mal alleine sein.
Notiere Dir auf einem Blatt Papier, was der Missbrauch in Dir ausgelöst hat. Wie Du Dich seither fühlst, (z. B. beschmutzt, gedemütigt, wertlos, wie ein Stück Dreck, unattraktiv…) Das sind alles Botschaften, die Dir der Täter durch den Missbrauch suggeriert hat. Dein Unterbewusstsein trägt diesen Chip immer noch. Stelle Dir dabei vor, wie du Stück für Stück jedes Wort, das Du notierst, aus deiner Seele, deinem Körper herausholst, um es an den Adressaten zurück zu geben. (Du kannst dabei gerne immer nach jedem aufgeschriebenen Wort laut sagen: Annahme ab heute verweigert!)
Wenn Du mit dem Aufschreiben aller Gefühle, Adjektive fertig bist, gehe mit einer Begleiterin an einen bewusst ausgesuchten Ort, der Dir dafür geeignet scheint, und verbrenne dieses Papier mit den Worten: „Hiermit gebe ich Dir all das wieder zurück, was mir nie gehörte. Das bin ich nicht und das war ich nie und das will ich nicht haben!“ Das hast nur Du so gesehen, du Schw…., es darf gerne auch geflucht und getobt werden, lass‘ alles raus, wonach Dir ist! Du hast eine Begleitung dabei, die dich darin bestärken sollte. Schrei es raus, alles – was Du ihm an den Kopf werfen möchtest, und jede einzelne eingepflanzte Botschaft. Wirf sie ihm wieder zurück!
Du wirst sehen, diese Übung ist ein Befreiungsschlag, der sich sehen lassen kann! 🙂 Mir war anschließend wirklich nach Feiern zumute, nach Globalumarmung, die um mich stehenden Bäume mussten daran glauben!
Aber bitte vergiß nicht, eine vertraute Person mitzunehmen! Und natürlich ein Feuerzeug, die Notiz und eine Eisenschale oder einen ollen Topf, in dem du die Täterbotschaften verbrennen kannst.
Anschließend mach‘ all das, wozu Du gerade Lust hast, Hauptsache, es tut Dir gut!!!
©Sarah Mohn