Bücherliste 3

… empfohlen von Elke

Ursula Nuber: „Lass die Kindheit hinter dir“, Campus-Verlag, ISBN: 978-3-593-38816-8

Ich möchte zu den schon bestehenden Bücherlisten ein Buch hinzufügen, dessen Titel mich zunächst überhaupt nicht angesprochen sondern eher abgestoßen hat. „Lass die Kindheit hinter dir“ klang in meinen Ohren achtlos und unbedacht – als wenn es so einfach wäre, die (schlimme) Kindheit einfach hinter sich zu lassen. Ich habe das Buch trotzdem oder gerade deswegen gelesen.

Man muss sich wohl einlassen können auf diesen Titel, aber dann vermittelt das Buch viele gut nachvollziehbare Erkenntnisse. Anhand zahlreicher Beispielfälle, in denen man sich oft selbst wiederfindet, erklärt die Autorin offen, mitfühlend und verständnisvoll, warum wir so sind, wie wir sind, und welche Kindheitserfahrungen uns zu dem Menschen machten, der wir heute sind.

Ebenfalls sehr interessant sind Ursula Nubers Ausführungen über die Resilienz, also die seelische Widerstandskraft, die einem Menschen trotz einer schwer belasteten, traumatisierten Kindheit die Möglichkeit geben kann, ein lebenswertes Leben zu führen. Positive Bezugspersonen können dem Kind helfen, diese Widerstandskraft zu stärken. Es lohnt sich also, sich an diese positiven Menschen aus Kindheitstagen immer wieder zu erinnern.

Die Autorin zeigt auf, dass kindliche Erlebnisse und Geschehen nicht unbedingt Einfluss auf das ganze Leben haben müssen und dass es für viele Probleme gute Lösungen geben kann. Handlungsmuster können aufgebrochen und verstanden werden, Verhaltensänderungen sind möglich.

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Christine Striebel: „Nicht allein“, Engelsdorfer Verlag, ISBN-13: 978-3869017679
Jeder von uns kennt das Gefühl: Man sitzt in einem Schuhgeschäft und probiert ein paar Schuhe nach dem nächsten an. Letztlich entscheidet man sich für ein Paar, schlüpft endlich wieder in die alten, gebrauchten „Treter“ und fühlt sich darin unglaublich wohl! Genauso ging es mir mit dem Buch „Nicht allein“ von Christine Striebel.

Als mir klar wurde, dass ich in einer schweren Depression steckte, kaufte ich mir viele Bücher zum Thema. Fast alle liegen so gut wie ungelesen hier herum. Ich las wenige Seiten und stellte fest, dass die Bücher zu kompliziert waren, zu weit weg von mir, nicht einfühlsam geschrieben, nicht nachvollziehbar, zu technisch, ohne Beispiele…

Das Buch „Nicht allein“ von Christine Striebel war das erste Buch zu diesem schwierigen Thema, das ich nicht mehr aus der Hand legen konnte, nachdem ich angefangen hatte, es zu lesen. Ich hatte ein Aha-Erlebnis nach dem anderen, fand mich so oft wieder in den Beispiel-Geschichten, mir wurde so vieles klar, vor allem auch, dass ich mit meinem Problem wirklich „Nicht allein“ bin.

Betroffenen sexueller Gewalt stehen sehr hilfreiche Übungen zur Seite, Tipps und Tricks für den Umgang mit problematischen Situationen, so einfach wie genial. Das Buch liest sich fast spannend, ist gut gegliedert und leicht verständlich.

Die Erfahrungen der Autorin Christine Striebel als ebenfalls Betroffene fließen in ihr Buch ein und machen es zu dem, was es ist: Ein perfekter, hilfreicher und einfühlsamer Ratgeber, ja, ein Freund an meiner Seite, der mich und meine Gefühlswelt versteht, der mir Mut macht und mich auf meinem Weg zur Heilung unterstützt. Das Gefühl, dass ich nur auf DIESES Buch gewartet habe, war beim Lesen immer präsent.

Danke, liebe Christine Striebel, für diese starke Stütze!

Nachtrag: Auch mein Mann nahm das Buch zur Hand und konnte es kaum mehr weglegen. Er ist der Meinung, mich und meine Probleme nun viel besser verstehen zu können. „Nicht Allein“ ist also auch ein wertvoller Ratgeber für Angehörige!

„Nicht allein“ sollte zur „Pflichtlektüre“ für alle Betroffenen, Angehörigen und auch für Therapeuten werden.

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Heike Engel: „Was du heulst, brauchst du nicht zu pinkeln“, Eisenhut Verlag, ISBN-13: 978-3942090100

„Hier bin ich zu Hause“ – dieser Gedanke begleitete mich immer wieder während des Lesens des Buches von Heike Engel.

Eine Geschichte, die meine sein könnte, eine Zeit, in der auch ich Kind war, eine Sprach- und Hilflosigkeit, die auch ich nur zu gut kenne. Und ein Buch zu einem schwierigen Thema, das ich nicht, wie so viele andere, nach den ersten Seiten aus der Hand legte, weil es mir zu „schwer“, zu niederdrückend war.

Aber nicht nur wegen dieser äußeren Umstände beschreibt dieses Buch mein Zuhause. Es ist das Verständnis, das den ebenfalls von sexueller Gewalt betroffenen LeserInnen entgegengebracht wird, das große Einfühlungsvermögen, eine Art Geborgenheit, das Gefühl, nicht allein zu sein mit seiner Kindheit und seinem Schmerz und den lebenslangen Folgen der Geschehnisse.

Andererseits vermittelt „Was du heulst, brauchst du nicht zu pinkeln“ auch den LerserInnen, die nicht von einem Missbrauchsgeschehen betroffen sind, einen tiefen Einblick in die Nöte und Todesängste derer, denen sexuelle Gewalt angetan wurde. Heike Engel gelingt es sehr einfühlsam und mutig, Augen zu öffnen, sich dem Thema „Sexuelle Gewalt an Kindern“ zu stellen, zum Hinsehen zu bewegen – und dies alles mit einer guten Prise Humor, die das Thema leichter verdaulich macht, ohne ihm die Schwere und Ernsthaftigkeit zu nehmen.

Positiv finde ich auch, dass es keine konkreten Schilderungen der (sexuellen) Gewalttaten gibt, es gelingt Heike Engel mit sachlichen und doch sehr behutsamen Worten, die Hilflosigkeit des kleinen Mädchens deutlich zu machen, mit ihm zu fühlen und es zu verstehen.

Mein Mann und ich hatten das große Glück, Heike Engel bei einer ihrer Lesungen zu erleben. Ich kann dieses Event allen Interessierten nur empfehlen! Heike Engel und ihr Buch haben bei meinem Mann bewirkt, dass er sich noch intensiver mit dem Thema „Sexuelle Gewalt“ befasst, uns Betroffene noch besser versteht und nach anfänglicher Skepsis immer wieder zu einer „Engel-Lesung“ gehen würde.

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Elke Nurmut: „Wenn du was sagst, mach ich dich tot!“, epubli GmbH, ISBN-13: 978-3-8442-2891-5

„Wenn du was sagst, mach ich dich tot!“ ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, das zum ersten Mal im Alter von sechs Jahren mehrfach missbraucht wird. Der Täter stirbt einige Monate später, was dem Kind aber nur drei Jahre Ruhe beschert. Mit neun Jahren wird es erneut missbraucht, diesmal von einem nahen Verwandten.

Die Missbräuche bleiben nicht ohne Auswirkungen auf das weitere Leben des Kindes, der Jugendlichen und der erwachsenen Frau. Vierzig Jahre lang schweigt sie, dann kommt es zum physischen und psychischen Zusammenbruch, aus dem sie sich nur mühevoll und in kleinen Schritten wieder befreien kann. Jahrelange Therapien sind notwendig, um das Leben wieder lebenswert werden zu lassen.

Das kleine Buch soll Mut machen und aufzeigen, dass es Wege aus jeder noch so verfahrenen und unglücklichen Situation gibt. „Wenn du was sagst, mach ich dich tot!“ schildert behutsam den Lebensweg des kleinen Mädchens, der verunsicherten Jugendlichen und der schwer depressiven Frau bis hin zur Therapie und deren Erfolge. Es soll aber auch aufzeigen, wie schwerwiegend sexualisierte Gewalt in der Kindheit nachwirkt, wie erheblich die Folgen auf das ganze weitere Leben sind und wie wichtig es ist, alle Kinder vor solch grausamen Erfahrungen zu schützen.